"...Das städtische Umfeld hat traditionell eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Bildung und die Kultur ihrer Bewohner gespielt. Das Konzept der Stadt als Motor der Zivilisation hat sich über Jahrhunderte etabliert und wurde in der Morphologie aller historischen Städte aufgenommen. Die Auswirkungen der intensiven Urbanisierung der letzten Jahrzehnte haben diese kulturelle Integrität der Stadt leider unterminiert, ihre ästhetische Gestalt abgewertet und die Kontinuität der städtischen Textur gestört... Die Bautraditionen, die einer Stadt oder Region ihren spezifischen Charakter und ihre Identität geben, sollten von der Stadtplanung für die Zukunft gestärkt und weiterentwickelt werden. Architektur und Gebäudeplanung sollten die gesamte Stadt und ihre Umgebung im Auge behalten. Gestaltungslösungen sollten auf visuellen, kulturellen, funktionalen und historischen Analysen des Gebietes und seiner besonderen Qualitäten beruhen. Stadtplanung sollte den Prozess initiieren, der die Bürgerinnen und Bürger durch umfassende und offene Beteiligung einbeziehen soll. Er sollte ebenso den Dialog zwischen Stadtplanern und benachbarten Berufsgruppen, insbesondere Architekten, Vermessern, Ingenieuren und Landschaftsarchitekten sowie Ökologen, Ökonomen, Soziologen, Künstlern und anderen Expertengruppen beinhalten...." (Neue Charta von Athen 1998, SRL, 1999). Der Städtebaubegriff ist weit gefasst. Anonym oder geplant wird in jeder Minute auf der Welt durch - unter anderem - den Menschen in vorhandene Verhältnisse (Umwelt) eingegriffen. Nicht nur in der Stadt, sondern auch im leicht verdichteten Bauen auf dem Dorf, in der Siedlung, im "Speckgürtel" der Großstädte, in den Spontansiedlungen der Dritten Welt, im Schrebergarten, im Außenbereich und in der Landschaft werden bereits genutzte Flächen reaktiviert oder neubebaut. Dabei ist der sparsame Umgang mit der Ressource "Boden" bis hin zu Rückbau, Rekultivierung und Wiederaufforstung eine wesentliche fachliche Grundhaltung. Dieser "Eingriff" wird traditionell als Kulturtätigkeit Einzelner begriffen und kommuniziert. Bei massenhafter Aneignung des Raumes im Zuge der Demokratisierung der letzten 200 Jahre wird der "Kulturbegriff" dieser Entwicklung oft in Frage gestellt. Ebenso bei Vernachlässigung oder Auflassung ehemals durch den Menschen genutzter Räume und Flächen. Die Vielzahl der erkannten Lösungsmöglichkeiten unserer menschlichen Existenzprobleme bietet Chancen für neue Modelle und neue "Wirklichkeiten". Diese neugewonnene Pluralität ist nicht selbstverständlich, sie ist entstanden aus der Kritik und dem Bruch mit der Uniformität einer engstirnigen Moderne und einem autoritären Konservativismus. | | Damit dieser kritische Impuls nicht nur virtuell "abgelegt" wird, oder in Rat- und Orientierungslosigkeit einmündet, ist es erforderlich sich immer wieder pragmatisch mit den Konventionen und den Möglichkeiten des individuellen und sozialen "Raumgebrauchs" auseinander zusetzen. Das Rollenverständnis der agierenden Gruppen und ihr Entwicklungspotential, die absehbaren Konflikte und Auseinandersetzungen, der Schutz der gegenwärtigen und der künftigen Schwächeren, erkennbare Unverträglichkeiten, und die zunehmende Aktivierung von Selbstverwaltungs-Potentialen werden prognostiziert und auf die Gegenwart projiziert und treten heute in den Vordergrund gegenüber dem in der Neuzeit postulierten, abstrakten Konzept des neuen Menschen "im Begriff der Moderne". (Literatur hierzu Fester / Kraft / Metzner "Raum für soziales Leben, RWTH Aachen und Min.f. A., G. u. S. NRW.) Städtebau ist die bewusste oder unbewusste Schaffung und Nutzung von Räumen für uns Menschen. Daran sind Hausbau, Landschaftsbau und Verkehrsbau in ihrer Vielfalt und Vielgestalt gleichermaßen die geschaffenen Ausdrucksformen. Dahinter stehen Inhalte aus den Nutzungen und Funktionen der Räume. Der städtebauliche Raum hat immer Raumgrenzen. Er ist begrenzt und endlich. Er bietet Sicherheit durch den Gebrauch. Städtebau differenziert heute durch den Entwurf eigenständige Raumstrukturen im Konzert mit dem Bestand. Diese Raumstrukturen können auch als Sätze einer Sprache oder als Plot interpretiert werden. Da Städtebau oft auf Jahrzehnte ausgerichtet ist, ist es für die allgemeine Kultur essentiell, ob die einzelnen "Sätze" bei aller Änderung der Konzepte bei der Durchführung und im Laufe der Zeit dennoch einen zusammenhängenden immer neu zu interpretierenden "Sinn" stiften, oder ob sie in der Gegenwart "leer" sind oder entleert wurden, oder ob die Mehrzahl der Menschen hier in der Textur der Stadt eine "Inhaltsleere" empfindet. Allerdings: Aus der ästhetischen Qualität des Raumes kann nicht direkt auf die soziale Qualität geschlossen werden und umgekehrt. Und: Unsoziale Räume bieten keine Sicherheit. Sie sind unbrauchbar. Mit dem Gebrauch des Raumes durch den Menschen wird dieser Raum objektiv (räumlich-baulich: Weg /Hecke / Haus / Hof / Straßenzeile .... etc.) und zugleich subjektiv (sozial: Nachbarschaft, alt, jung, etc.) definiert. Die ruhige, selbstverständliche Gestaltung der Räume ist in 99% der Fälle grundlegend für die Aufenthaltsqualitäten. Maßstab, Dimension, Funktion, Nutzung und Gebrauchsfähigkeit differenzieren die einzelnen Quartiere / Siedlungen / Dörfer / Städte untereinander. |